Leserbrief

Über die L 419 in die verkehrte Welt

Ausgabe 04 vom 28. Januar 2024

Über die L419 ist schon so viel geschrieben worden – und trotzdem ist der, der sich nicht stundenlang in die Details einarbeitet und bis zu 400seitge Berichte von irgendwelchen Bundes-, Landes- oder Kommunalverwaltungen liest, allenfalls rudimentär informiert.
Sicher ist aber: Das Projekt stammt aus verkehrspolitisch-prähistorischer Zeit, in der man noch meinte, die individuelle automobile Freiheit in die DNA der Bürger einpflanzen zu müssen.
Eine Zeit, in der man die letzten kleinen Bahnstrecken stilllegte, Güterbahnhöfe dem Erdboden gleichmachte (ja, auch in Ronsdorf war mal eine Rangierlok statoniert!) und vorab Fußgänger in „Harnröhren“ wie am alten Döppersberg verbannte.
Heute stauen sich auf bundesdeutschen Straßen 30 Meter lange Monstertrucks um die Segnungen unserer (Konsumgüter-)Industrie an ihre Em-pfänger zu transportieren.
Und am Ronsdorfer Bahnhof warten Pendler auf die nächste Mitfahrgelegenheit, da schon wieder zwei S7-Züge nacheinander ausgefallen sind. Kein Wunder, dass die auf die Bahn schimpfen und darauf, „dass nichts mehr klappt“ in diesem Land, weil „die da oben“ mal wieder Politik am Bürger vorbeimachen.
Aber ist es so einfach? Haben wir nicht alle ein wenig zur Situation beigetragen und tun es noch?
Da gibt es die Zeitgenossen, die jedes Gramm Schweine-Hack vom Supermarkt (500 g. 1,99 Euro – Tönnies lässt grüßen) einzeln in ihren heimischen Kühlschrank fahren. Und es gibt die, die das, was „die da oben“ in der Energiepolitik verzapfen, umgehen wollen, indem sie alles, was diese Welt hergibt – vom Totholz aus unseren geschundenen Wäldern bis zur Europalette – in ihren neuen „Buller-Ofen“ stecken (übrigens „Made in China“). Sie wollen es schließlich zuhause warm haben und dem Habeck mal zeigen „wo der Hammer hängt“.
Und da gibt es natürlich die Firmen, die ihre Mitarbeiter aus Angst vor Kontrollverlust wieder ins Büro zwingen, nur damit die dort tun, was sie auch zuhause tun könnten: Computer hochfahren, die Tagesarbeit erledigen, mit anderen Abteilungen in Zoom-Meetings sitzen.
Da fragt man sich doch, ob unsere Umwelt nicht eine neue Corona-Welle braucht – da waren die Straßen wie leergefegt. Sie braucht auf jeden Fall – und das dringend – in vielen Bereichen, nicht nur der Verkehrspolitik, ein Umdenken in unserer Gesellschaft und mehr Verantwortungsbewusstsein für die Zukunft bei jedem von uns.
Und da bringt es schon gar nichts, bei der nächsten Wahl „einfach mal so aus Protest“ gegen „die da oben“ die AfD zu wählen. Dann kommt die L 419 vielleicht direkt als Panzerstraße – und dann wird es auf jeden Fall teurer …
… für uns alle.

Jürgen Brebach
Im Rehsiepen 40
42369 Wuppertal

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