Ausgabe 09 vom 05. März 2023
Viele hatten gesagt: Es muss etwas geschehen. Und siehe da: Es ist etwas geschehen.
Der sehnliche Wunsch vieler Wuppertaler und Wuppertalerinnen, von Unternehmerinnen und Unternehmern, aber auch des Stadtmarketings hat sich erfüllt: Wuppertal ist bundesweit in den Schlagzeilen führender Medien. Der graue Underdog unter den altindustriellen Großstädten im Westen, abseits von Ruhrgebiet und Rheinland gelegen, gefühlt jenseits von dem meisten und bisher allenfalls geeignet, um von Humoristen sanft verspottet zu werden (etwa wenn bei Loriot der Lottogewinner Erwin Lindemann von seinem Plan erzählt, in Wuppertal eine Herrenboutique eröffnen zu wollen) oder für Redewendungen wie „über die Wupper gehen“ herzuhalten, wird in ganz Deutschland gesehen!
Und diese ganze Aufmerksamkeit nur wegen 10 goldener Bänke (fünf wurden schon aufgestellt, fünf folgen noch) für günstige 400.000 Euro.
Günstig? Ja, ehrlicherweise sogar sehr, wenn man sich die Alternativen vor Augen führt: eine Seilbahn zwischen Hauptbahnhof und Universität mit der Möglichkeit der Weiterfahrt zu einer Müllverbrennungsanlage und einem Schulzentrum (ca. 83 Millionen Euro), 700 Meter Hängebrücke, die im Rahmen der Bundesgartenschau 2031, die von der Wuppertaler Wirtschaft vorangetrieben wird, die beiden
Pfosten der sog. „Wupperpforte“ verbinden soll (mindestens 15 Millionen Euro) oder der autobahnähnliche Ausbau der Landesstraße L 419 mit Anschluss an die A 1 (mindestens 110 Millionen Euro). Deshalb ausdrücklich: Glückwünsche an die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, insbesondere an den Gestaltungsbeirat, die neben der Ästhetik die ökonomischen Notwendigkeiten keinesfalls aus den Augen verloren haben.
Und endlich zahlt sich aus, dass Wuppertal mit der Wahl von Oberbürgermeister Uwe Schneidewind, dem man eine besondere Schwäche für Kultur nachsagt (Redewendung „Wo ist Uwe?“), 2020 begonnen hat, sich zu einer modernen Form der antiken Philosophenherrschaft zu transformieren. Wo sonst ließe sich Stadtgestaltung mit einem solch anspruchsvollen, auf die Zivilgesellschaft zielenden erzieherischen Impetus in Sachen Ästhetik finden, denkt man an die ungeheure kreative Spannung, die sich auf dem Von-der-Heydt-Platz zwischen den goldenen (eigentlich: goldfarbenen, aber das Symbol ist ja wichtig) Bänken und der Umgebung, wo das Nichts Gestalt angenommen hat, auftut und jede und jeden ins Grübeln bringen müsste.
Wuppertal ist wieder da, goldfarben schimmernd an der Biegung des Flusses.
Georg Wilke
Elfriede-Stremmel-Str. 53