KW36 | 10.09.2023

Zeitgenössicher Tanz „em Dorp“

Joy Kammin und die vierte Aufage des Festivals „tanzt.jetzt“

Ein vertikaler Pas de deux: Lin Verleger und Joy Kammin auf der Kreuzung Barmer Str. / Masurenstraße. (Foto: PK)

(Lü./PK) Bereits zum vierten Mal gaben international erfolgreich tätige Tänzerinnen und Tänzer im Rahmen der Veranstaltungsserie „tanzt.jetzt“ einen Einblick in ihre Kunst und ihre Möglichkeiten. Das Tanzfestival wurde von der Lüttringhauserin Joy Kammin – in diesem Jahr gemeinsam mit dem Teo Otto Theater – initiiert, die auch aktuell die Routen durch den Stadtteil festlegt und die Tanzperformance organisiert. Besonders an dieser Art des zeitgenössischen Tanzes ist, dass Lüttringhausen in das Geschehen hineingezogen wird. Die Tanzrouten gestaltet Joy Kammin in jedem Jahr anders.
Am Samstag begannen die neunzig Minuten Tanztheater im Saal des Lüttringhauser Rathauses zu Klaviermusik von Christos Kalavitis und einer improvisierten Performance von Joy Kammin und Thomas Walschot. Direkt im Anschluss zeigte die Remscheider Tänzerin einen kurzen Film, der einen ihrer Workshops in der Justizvollzugsanstalt vor Ort zum Thema hatte und der gut aufzeigte, wie man eine Gruppe bildet, die sich gemeinsam bewegen kann.
Sechs Standorte hatte die Organisatorin festgelegt. Nach einem kurzen Gang wurden die mehr als dreißig interessierten Besuchenden an der mehr als sechs Meter hohen Mauer der JVA Zeuge von minimalistischen Tanzbewegungen, ausgeführt von Joy Kammin, der aus Dänemark stammenden Astrid Elisabeth Bramming sowie dem ehemaligen deutschen Hiphop-Meister Lin Verleger.
Am nächsten Spielort, dem Spielplatz oberhalb der Kita am Fuchsweg, warteten schon Celine Kammin und Christos Kalavitis an einen Baum gelehnt auf die Gäste. Die drei Tanzenden, in extrem bunte Kleidung gehüllt, nutzten die ganze Größe des Areals für ihre eindrückliche und humorvolle Vorstellung. Eindrücklich auch der ganz besondere Pas de deux, den Joy Kammin gemeinsam mit Lin Verleger am Rande der Kreuzung Barmer Straße / Masurenstraße zeigte: Auf- und nicht nebeneinander. Lin trug seine Kollegin auf den Schultern, ein Winken für hupende Autos inklusive.
Ein weiterer Gang führte zum alten Bahnhof des Stadtteils. Dessen morbider Charme bildtete die Kulisse für das Finale der Tanztour. Celine Kammin rezitierte einen Text zum alten Bahnhof und zeigte dabei ihr großes schauspielerisches Talent.
Und Lin Verleger konnte an dieser Stelle aus seinem reichhaltigen Fundus an Hiphop-Figuren schöpfen, die er – langsam und konzentriert und keineswegs hektisch – zur Begeisterung der Besuchenden zeigte. Die Musik beschränkte sich auf ein rhythmisches Klopfen, angereichert durch von Joy gespielte sparsame Akkorde auf dem Akkordeon. Und alle beteiligten Musizierende und Tanzende kamen beim surrealen letzten Tanz zum Einsatz, bei dem die unterschiedlichen Räumlichkeiten des alten Bahnhofs auf einfühlsame und optisch geniale Art genutzt wurden. Die gelungene Gemeinschaftsleis­tung des Ensembles wurde vom kenntnisreichen Publikum mit großem Applaus gewürdigt.

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