KW08 | 23.02.2025

Wahlaufruf des SonntagsBlatts – in eigener Sache

„Man darf in diesem Land nicht mehr seine freie Meinung äußern“, hört man in letzter Zeit des Öfteren. Das sehen Journalistinnen und Journalis­ten anders. Der Artikel 5 des Grundgesetzes regelt die Presse-, Meinungs- und Kommunikationsfreiheit, ist eines der höchsten Grundrechte unseres Staates und die wichtigste Grundlage unserer Arbeit.
Selbst wenn jemand der Meinung ist, dass die Mondlandung nie stattfand, die Erde eine flache Scheibe ist und man beim Radiohören ohne Alu-Hut einer Gehirnwäsche unterzogen wird, darf das uneingeschränkt geäußert werden. Man darf auch die Meinung äußern, dass ein Neubau von Kernkraftwerken wirtschaftlich sinnvoll wäre und die Wiedereinführung der Deut­­schen Mark Vorteile brächte.
Das Recht der freien Meinungsäußerung endet jedoch, wo andere Gesetze greifen. Etwa den in unserem Land vor über 80 Jahren organisierten, sechsmillionenfachen Mord am jüdischen Volk zu leugnen, ist keine Meinung, sondern eine strafbewehrte Lüge. Alte Nazi-Parolen zu verwenden, ist keine Meinung, sondern eine Straftat. Hass und Gewalt gegen Andersdenkende zu proklamieren und zu forcieren, ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Menschen ausländischer Herkunft pauschal zu diffamieren, ist keine Meinung, sondern Rassismus.
Legale, aber unliebsame Meinungen hingegen verbieten und Andersdenkende zum Schweigen bringen zu wollen, ist keine neue Idee – das Lied „Die Gedanken sind frei“ wurde bereits 1842 von Hoffmann von Fallersleben gedichtet, jenem Mann, der auch den Text unserer Nationalhymne verfasst hat. In jüngster Zeit hat der Präsident der Vereinigten Staaten die „Associated Press“ (AP), eine der größten Nachrichtenagenturen der Welt, den Zugang zu Informationen aus dem Weißen Haus verweigert, weil die AP seiner Anweisung, den „Golf von Mexiko“ ab sofort „Golf von Amerika“ zu nennen, nicht folgen will – ein unglaublicher Eingriff in die Pressefreiheit.
Dieser Präsident ist ein erklärtes Vorbild von Politikerinnen und Politikern auch in unserem Land. Bei der Bundestagswahl stehen an diesem Sonntag von beiden Rändern des politischen Spektrums Parteien zur Wahl, die etliche der Grundrechte und Grundwerte unseres Staates und letztlich auch unsere Demokratie in Frage stellen oder in Frage stellen werden, wenn sie erst einmal genügend Stimmen dafür bekommen haben.
Das gilt es zu verhindern. Deshalb appellieren wir heute an alle Leserinnen und Leser unserer Zeitung, zur Wahl zu gehen und die Stimme einer Partei zu geben, die absolut frei vom Verdacht ist, verfassungsfeindliche Tendenzen anzustreben oder Rechte von Bürgerinnen und Bürgern aus unserer Mitte einschränken oder aufheben zu wollen.
Die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Staates ist die Grundlage für unsere Arbeit. Da kann es keine Alternative für Deutschland geben.

Die Redaktion

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