(Ro./LMP) Kaveh Akbar hat letztes Jahr die amerikanische Literaturszene mit seinem Debütroman praktisch überrollt. Sein Werk „Märtyrer!“ schaffte es auf Anhieb auf die Bestseller-Liste der New York Times, auf die renommierte Leseliste von Barack Obama und in die Finalrunde des National Book Award. Als das Buch nun im März auch in Deutschland erschien, überschlugen sich die deutschen Printmedien gleichfalls mit ihren überschwänglichen Rezensionen. Der Spiegel widmete dem Autor noch im selben Monat einen mehrseitigen Beitrag.
Aber worum geht es denn eigentlich in diesem gefeierten Meisterwerk? „Es ist kein Buch nach Schema F“, erklärte Stefanie Jacobs am Dienstagabend bei ihrer Lesung in der Ronsdorfer Bücherstube. Und sie muss es wissen, denn sie hat die 400 Seiten des Romans ins Deutsche übersetzt. Kaveh Akbar beschreibt den jungen Iraner Cyrus, der als Kind mit seinem Vater in die USA kam, nachdem seine Mutter beim versehentlichen Abschuss eines iranischen Passagierflugzeuges durch die Amerikaner ums Leben gekommen war. Der Vater verdingte sich als Hühnerschlachter in Indiana, um mit seinem Sohn über die Runden zu kommen. Cyrus selbst ist seitdem auf der Suche nach dem Sinn seiner Existenz, pendelt zwischen Momenten der Euphorie und depressiver Leere. Er kämpft mit seinem Drogenmissbrauch, sucht seine sexuelle Identität und ist von Märtyrern fasziniert, um zumindest dem Tod einen Sinn zu geben. So weit, so verwirrend. Wie so viele Werke der „großen“ modernen Literatur ist das auf den ersten Blick kein Buch, das man mal eben so nebenher im Strandkorb liest.
Dem abendlichen Publikum in der Bücherstube stellte sich aber diesmal eh weniger die Frage: „Was wollte uns der Autor damit sagen?“, als vielmehr: „Wie übersetzt man so etwas?“ Stefanie Jacobs ist freiberufliche Literaturübersetzerin und die lange Liste ihrer Arbeiten – unter anderem Stoffe von Lauren Groff, Miranda July, Edna O’Brien und keinem geringeren als Woody Allen – brachten ihr den Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis und damit einen Eintrag in der deutschen Wikipedia ein.
„Ich habe die Anfrage des Verlags für die Übersetzung von ‚Märtyrer!‘ bekommen, als das Buch im Original noch gar nicht erschienen war“, erzählte Stefanie Jacobs. Sie beschrieb die Schwierigkeit, den Stil des Autors pointiert zu treffen, die richtigen Nuancen in der deutschen Sprache herauszuarbeiten, dabei aber auch gewisse Freiheiten zu nutzen: „Kaveh Akbar beschreibt in seinem Buch eine Traumsequenz, in der Donald Trump auftritt. Akbar nennt ihn da ,President Invective‘. ‚Invective‘ heißt übersetzt so viel wie ‚Schmähung‘ oder ‚Beschimpfung‘. Das war mir für die Übersetzung aber nicht griffig genug. Deshalb habe ich mich schließlich entschieden, ihn in der deutschen Fassung ‚Präsident Schreihals‘ zu nennen. Das habe ich Kaveh Akbar erklärt und er hat mir diese Übersetzung freigegeben.“
Auf die Frage, wie lange die Übersetzung eines Buches dauere, antwortete Jacobs: „Wenn es gut läuft, kann man von einem Monat für 100 Seiten ausgehen. Da sind dann auch schon alle Überarbeitungen mit eingerechnet.“ Die 44-Jährige, die mit ihrer Familie in Wuppertal lebt, könnte sich zwar vorstellen, auch selbst einmal ein Buch zu schreiben. Dem stehen jedoch zwei Dinge entgegen: „Zum einen habe ich bei meiner Arbeit immer wieder so hervorragende Texte vor mir, dass ich mir oft denke – das könntest du selbst so gar nicht zu Papier bringen. Und zum anderen hätte ich momentan auch nicht die Zeit dafür. Ich bin schon jetzt für den Rest des Jahres mit Übersetzungsaufträgen ausgebucht.“
Es läuft beruflich also gut für Stefanie Jacobs. Und die Chancen stehen folglich nicht schlecht, sie in absehbarer Zeit wieder in der Ronsdorfer Bücherstube zu erleben, wie sie einem Autor oder einer Autorin nicht nur eine deutsche „Stimme“, sondern in gewisser Weise auch ein „Gesicht“ gibt. Und dann steht Kaveh Akbar auf dem zweiten Blick vielleicht doch auf der sommerlichen Bücherliste für den Strandkorb…
KW18 | 04.05.2025
Der Roman „Märtyrer!“- ein gefeiertes Meisterwerk
Übersetzerin Stefanie Jacobs las aus dem US-Bestseller in der Bücherstube
