Auszüge aus einem wissenschaftlichen Gespräch zwischen Prof. Dr.-Ing. Andreas Schlenkhoff (Leiter des Lehr- und Forschungsgebiets Wasserwirtschaft und Wasserbau in der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen an der Bergischen Universität) und Uwe Blass von der Bergischen Universität.
(Reg.) Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es im Bergischen Land nicht eine Talsperre. Nur Mühlteiche speicherten in der Nacht Wasser, mit dem am Tage die Industrie arbeiten konnte. Eine Talsperre, wie wir sie heute kennen, galt unter Preußens Führung als unbaubar. Ein Ingenieur mit Vision änderte diese Ansicht und gilt mit seinen Entwürfen bis heute als Pionier: Otto Intze.
An der Bergischen Universität forscht und lehrt Prof. Dr.-Ing. Andreas Schlenkhoff auf dem Gebiet Wasserwirtschaft und Wasserbau. „Otto Intze war einer der bekanntesten Wasserbauer, ein Ingenieur, der nicht nur technische Fragen innovativ lösen konnte, sondern während einer wichtigen industriellen Entwicklungsphase Gesamtlösungen für die dringend benötigte Wasserversorgung im Sommer entwickelte und den Beginn des Talsperrenbaus in ganz Preußen mit initiierte.“
Mit 26 Jahren bereits Professor in Aachen
Nach einem Ingenieurstudium in Hannover wurde Otto Intze mit gerade einmal 26 Jahren Gründungsprofessor für Baukonstruktion und Wasserbau an der neu eingerichteten Königlich Rheinisch Westfälischen Polytechnischen Schule in Aachen, deren Rektor er auch später wurde. Er war aber nicht nur ein genialer Ingenieur und Problemlöser, er besaß zudem die Gabe, seine Lösungsvorschläge auch klar zu kommunizieren, so dass er die Verantwortlichen in der Industrie begeistern und Kommunen und Regierung von der Tragfähigkeit seiner Ideen und Entwürfe überzeugen konnte.
Erste Trinkwassertalsperre Deutschlands
Zwischen 1889 bis 1891 entstand nach den Plänen Intzes die Eschbachtalsperre in Remscheid als erste deutsche Trinkwassertalsperre überhaupt. Ihr folgten nach dem gleichen Prinzip in der Zeit von 1896 bis 1914 die Bever-, Lingese-, Ronsdorfer-, Barmer-, Solinger, Neye- sowie die Brucher-Talperre. Aus Dankbarkeit über diese kontinuierliche Wasserversorgung verliehen die Remscheider Otto Intze bereits 1893 die Ehrenbürgerschaft. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache, dass der heutige Wupperverband und der Ruhrverband eigentlich auf seine Initiative und die seiner Mitstreiter entstanden sind. „Es war ja nicht nur die Wasserversorgung für die metallverarbeitende Industrie, sondern auch für die Tuchmacher. Heute weiß das keiner mehr, aber 1883 gab es verheerende Hochwasser, daneben aber immer wieder Phasen, wo es gar kein Wasser gab. Gefahren von Typhus und Cholera und anderen Krankheiten, die immer dann auftreten, wenn die Abwasserentsorgung und Trinkwassergewinnung nicht funktioniert“, stehen in diesem Zusammenhang.
„Die Mauern wurden als sogenannte Gewichtsmauern er baut, d.h., der Wasserdruck kann alleine durch das Gewicht der Mauer in der Regel gehalten werden. Die Form der Mauer war dabei in der Lage leicht gekrümmt und über die Höhe gerade so geformt, dass der Wasserdruck das Bauwerk nicht zum Kippen bringen konnte. Die Drucklinien liegen dabei immer innerhalb des Bauwerks, so dass keine Zug-spannung auftritt. Dies ist für die Vermeidung von Rissbildung von besonderer Bedeutung. Zudem waren die einzelnen Mauersteine händisch so gehauen, dass ein guter Verbund erreicht werden konnte und Intze nutzte wohl auch einen besonderen Mörtel, der fast wasserdicht war.
Grundsätzlich gelte, dass Talsperren auf der einen Seite sicherheitsrelevante Bauwerke mit einem hohen Schadenspotenzial im Versagensfalle seien, aber auf der anderen Seite immer gut ausgestattet, gut gewartet, kontrolliert und überwacht würden.
Intzes Expertise war im ganzen Land gefragt
„Wenn man Abwasser und Wassergewinnung nicht trennte, dann hatte man große Probleme. Das war im Ruhrgebiet noch ausgeprägter als im Bergischen Land.“
Talsperren früher und heute
„Die eigentlichen Aufgaben einer Talsperre sind im Wesentlichen geblieben. Es geht hierbei um die Speicherung des Wassers, das im Winter ‘ungenutzt’ abfließt und dann für die trockenen Zeiten im Sommer gespeichert wird.“
Moderne Talsperren werden als sogenannte ‘Multifunktionale Talsperren’ betrieben. „Neben der Trinkwasserversorgung stehen der Hochwasserschutz und die Sicherstellung eines ökologisch erforderlichen Mindestwasserabflusses in den Gewässern bei der Priorität ganz oben. Später kam dann auch die Freizeitnutzung dazu, die heute einen hohen Stellenwert hat, aber aus Sicht der Wasserwirtschaft, immer nachrangig bleiben muss.“
„Einmal im Jahr wird eine Talsperrenschau durchgeführt. Alle fünf und alle zehn Jahre wird eine vertiefte Sicherheitsüberprüfung vorgenommen. Diese Prüfungen betreffen alle betrieblichen Einrichtungen. Talsperrenmeister führen täglich Rundgänge durch und tragen ihre Feststellungen in ein Talsperrenbuch ein.
Otto Intze leistete ohne Zweifel Bedeutendes für den Talsperrenbau. „Sollte ein Kritiker eine bessere Lösung als Talsperren vorschlagen, dann wären Talsperren natürlich überflüssig“, sagt Schlenkhoff zum Schluss, „das sehe ich aber für die nächsten hundert Jahre nicht.“
Interessierte können sich weiter informieren unter https://www.uniwuppertal.de/de/third-mission/wissenschaftskommunikation/transfergeschichten/2025/prof-dr-ing-andreas-schlenkhoff/