Leserbrief

Bundesgartenschau und das Finanzamt

Ausgabe 02 vom 15. Januar 2023

Die Bürgerinnen und Bürger von Schilda hatten bekanntlich beim Bau ihres neuen Rathauses die Fenster vergessen. An diese in der Partnerstadt bewährte Reihenfolge – erst mal voller Begeisterung loslegen (im BUGA-Fall: beschließen) und dann gucken, was man angerichtet hat – scheint man sich auch im BUGA-Prozess in Wuppertal halten zu wollen.
Wie nun kürzlich der Tagespresse zu entnehmen war, konnte anders als geplant die als gemeinnützige GmbH konzipierte Wuppertaler Bundesgartenschaugesellschaft noch nicht zum Jahresbeginn 2023 an den Start gehen, weil die Anerkennung der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt noch aussteht. Die dort zuständigen Mitarbeiter sind gegenwärtig mit anderen Dingen beschäftigt, haben aber (voraussichtlich) im März Zeit.
Wie die derzeit politisch für die BUGA Verantwortlichen und auch der Geschäftsführer der beteiligten Deutschen Bundesgartenschaugesellschaft (übrigens anders, als der Name suggerieren könnte, keine öffentliche Einrichtung, sondern ein privates Unternehmen, sozusagen eine spezialisierte Event-Agentur) unter Verwendung der in solchen Fällen üblichen beschwichtigenden Flos­keln versichert haben, ist das keine große Sache, Grund zur Beunruhigung bestehe nicht. Argumente dafür werden nicht genannt. Doch alle aus journalistischer Sicht vermutlich relevanten Personen durften (wahrscheinlich aus Gründen der Ausgewogenheit) spekulieren und wurden nacheinander zitiert.
Etwas aus dem Rahmen fallen die Äußerungen von Ludger Kineke (CDU), der unter anderem hervorhebt, dass man auch die Gremien mitnehmen müsse, selbst wenn dies anspruchsvoll sei. Ein vermutlich bedenkenswerter Aspekt, der jedoch für die meisten Leserinnen und Leser, die sich mit den kommunalpolitischen Strukturen und Abläufen nicht im Detail auskennen, kryptisch bleiben dürfte, da er nicht erklärt wird.
Ähnliches gilt für den Kernpunkt des Artikels: Warum ist die Gemeinnützigkeit eigentlich wichtig? Was macht die potenzielle Gemeinnützigkeit im Fall der Wuppertaler Bundesgartenschaugesellschaft konkret aus? Warum wurde die Gemeinnützigkeit nicht schon früher geklärt, beispielsweise vor Abgabe der BUGA-Bewerbung? Welche Folgen hätte die Nicht-Anerkennung der Gemeinnützigkeit? Gab es möglicherweise bei früheren Bundesgartenschauen schon einmal Probleme mit der Anerkennung der Gemeinnützigkeit? Inwieweit ist die Bewilligung von öffentlichen Fördermitteln an die Gemeinnützigkeit gebunden? Fragen, die nicht einmal angeschnitten werden. Ausgewogenheit bedeutet auch journalistische Einordnung, die hier fehlt. Die Darstellung des formalen Prozesses rund um die Gründung der Wuppertaler Bundesgartenschaugesellschaft ist vielleicht informativ, reicht aber nicht aus.
Dass Gemeinnützigkeit Eigennutz nicht ausschließt, zeigt schon die Konstruktion des BUGA-Fördervereins, der unter dem Banner der Gemeinnützigkeit angetreten ist. Auch ein Blick auf dessen Website und die dort anlässlich der Vereinsgründung eingestellte Pressemitteilung mit der Liste der Gründungsmitglieder ist nicht uninteressant.
Nach Altruistinnen oder Altruisten dürfte man hier vergeblich suchen. Dass Vorteile, die aus einer solchen Beteiligung gezogen werden können, nicht direkt und nicht in jedem Falle ökonomischer Art sein müssen, ist ein Gemeinplatz. Auch das Gutachten zu den stadtökomischen Effekten einer BUGA argumentiert ja ähnlich. Etwas euphemistisch könnte man von „Win-win-Situationen“ oder „aufgeklärtem Eigennutz“ sprechen. Ach ja: Was ist eigentlich aus dem Anfang 2022 gestellten Antrag des Fördervereins auf die formale Anerkennung als gemeinnützig geworden? Zumindest die Suchmaschine auf der Website des Fördervereins kann dort zu dem Begriff „gemeinnützig“ nichts finden.
Fazit: Bis Karneval ist es auch in Wuppertal noch einige Zeit, doch der Narrenzug ist längst unterwegs.

Georg Wilke
Elfriede-Stremmel-Str. 53
42369 Wuppertal

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