KW34 | 24.08.2025

Die ständige Suche nach Material und Form

Neue Ausstellung mit Werken von Tony Cragg im Skulpturenpark

Eine Aluminiumskulptur aus der Reihe „Industrial Nature“ wird in der oberen Ausstellungshalle des Parks gezeigt (re.). (Foto: LMP)

(W./LMP) Vor 17 Jahren eröffnete der deutsch-britische Künstler Tony Cragg den „Skulpturenpark Waldfrieden“ in Unterbarmen, am Hang des Hesselnbergs. Aber erst jetzt realisierte er dort seine erste große Einzelschau – gezeigt werden seine Werke aus den vergangenen zehn Jahren. Der Titel der Ausstellung – „Line of Thought“, also „Gedankengang“ – legt bereits nahe, dass Cragg seine neueren plastischen Arbeiten und Zeichnungen nicht einfach nur vorzeigen oder präsentieren, sondern auch einen Einblick in sein bildnerisches Denken geben möchte. Dass Tony Cragg einer der berühmtesten Wuppertaler ist – der 1949 in Liverpool geborene Künstler hat hier bereits seit 1977 seine Wahlheimat gefunden – zeigte das große bundesweite Medieninteresse im Rahmen eines Presserundgangs einen Tag vor der offiziellen Ausstellungseröffnung.
„Line of Thought“ erstreckt sich über die drei Ausstellungshallen des Skulpturenparks. In der oberen Halle sind Großskulpturen aus Aluminium, Holz und Stahl aufgebaut. Für Tony Cragg eher ungewöhnlich ist hier eine Skulptur aus der Reihe „Industrial Nature“ – sie ist aus geschnittenen und gebogenen Aluminiumplatten gefertigt, die mit Lackfarbe überzogen und partiell abgeschliffen wurden. Auf die Frage, wie er auf Betrachter reagiere, die in seinen Werken nichts erkennen könnten, antwortete der 76-Jährige: „Kunst ist keine Unterhaltung, Kunst ist auch Arbeit. Man kann eine Sache nicht verstehen, wenn man sich nicht mit ihr beschäftigt.“ Wenn 100 Leute ein Kunstwerk betrachteten, werde man 100 verschiedene Meinungen bekommen, was es darstelle, erklärte er. Das sei von vielen Faktoren abhängig – Erziehung, Ausbildung, die eigene Psyche, das eigene Umfeld: „Nicht wir definieren Kunst, sondern Kunst definiert uns“, fügte er hinzu.
In der mittleren Ausstellungshalle werden Arbeiten aus unterschiedlichen Werkgruppen gezeigt, darunter auch eine bereits etwas ältere Installation – „Congregation“ (übersetzt etwa „Zusammenballung“, Anm. d. Red.) datiert aus dem Jahr 1999 und besteht aus einem großen Boot, Rudern, Rettungsbooten, einer Leiter und anderen Schrottmaterialien aus Holz, die alle vollständig mit Metallhaken bedeckt sind. Ihm gehe es bei seiner Kunst immer um das Material an sich, sagte Cragg: „Was macht das Material mit mir und mit meinem Kopf? Wie reagiere ich darauf?“ – das seien die Fragen, die ihn bei der Arbeit beschäftigen. „Die Kunst ist das Höchste, was wir Menschen hervorbringen können“, erklärte er. Und obwohl er sich nicht als Philosoph sieht, formuliert er Sätze wie: „Unsere Wahrnehmung ist beschränkt, weil wir selbst beschränkt sind.“ – und regt damit zum Nachdenken an.
In der unteren Ausstellungshalle spiegelt sich die Vielfalt der von Cragg verwendeten Materialien in den dort gezeigten Kleinplastiken aus Glas wider – seit 2009 arbeitet er mit dem Berengo Studio in Murano zusammen. Murano, eine in der Lagune von Venedig gelegene Insel, ist für ihre lange Tradition der Glasherstellung bekannt. Ob transparent oder mit Farbe angereichert, zeigen die Glaskörper ein Spiel mit Licht und Schatten, das sich abhängig vom Standort verändert. „Glas tendiert immer dazu eine geometrische Form anzunehmen“, machte Tony Cragg seine Faszination für diesen Werkstoff deutlich. Es brauche jahrzehntelange Erfahrung, um Glas zu bearbeiten, erklärte er, aber: „Es ist schwierig, die Grenze zwischen ‚Kunsthandwerk‘ und der wirklichen ‚Kunst‘ zu ziehen.“ Komplettiert wird die Ausstellung in der unteren Halle mit rund 200 Zeichnungen des Künstlers – zwei davon mit Tusche, alle anderen mit Graphit gearbeitet. Diese Zeichnungen entstünden, so der Künstler, wenn er abends nach Hause komme und noch etwas arbeiten wolle. Bevor Cragg 1969 seine künstlerische Laufbahn einschlug, arbeitete er als Labortechniker in der biochemischen Forschung und entwickelte eine tägliche Praxis des Zeichnens. Doch auch wenn die Bleistift­linien fast immateriell im Vergleich zu seinen Skulpturen wirken – Tony Craggs ständige Suche nach der Form wird in ihnen ebenso deutlich.
Die Ausstellung wurde am Mittwoch eröffnet und wird noch bis zum 1. Januar 2026 im Skulpturenpark an der Hirschstraße 12 zu sehen sein.

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